Transkript
Hallo und herzlich willkommen zur zwölften Episode von Hör mal Deutsch, dem Podcast für alle, die authentisches Deutsch lernen wollen. In der heutigen Episode möchte ich gerne Deutschland und Kolumbien miteinander vergleichen.
Hier möchte ich direkt von Anfang an noch mal sagen, dass ich erst neun Monate in Kolumbien lebe und 26 Jahre in Deutschland gelebt habe. Also, es gibt einen großen Unterschied. Deutschland kenne ich natürlich viel besser als Kolumbien, aber in diesem Video möchte ich Beobachtungen schildern, Sachen, die ich bisher für mich so analysiert habe. Es ist also möglich, dass andere Menschen eine andere Wahrnehmung zu diesem Thema haben. Deswegen stelle ich noch mal klar, dass es eine ganz persönliche Beobachtung, eine persönliche Meinung ist.
Ich möchte dieses Video in vier Teile unterteilen: Zum einen möchte ich über die Menschen und die Mentalität sprechen, über das Essen, die Infrastruktur und das Klima.
Ich starte bei den Menschen. Die Kolumbianer sind sehr herzlich, sehr freundlich, sehr offen, und das sind Dinge, die ich in Deutschland oft vermisse. Man braucht hier nicht viel Zeit, um ins Gespräch zu kommen, um sich kennenzulernen. Und schon von Anfang an merkt man, dass die Menschen interessiert sind und keine Barrieren haben, wie das oft bei deutschen Menschen ist.
Eine kleine Anekdote: Beispielsweise wurde ich an Silvester von einer Bekanntschaft zu sich nach Hause eingeladen, wo nur wirklich die Familie feiern sollte. Ich habe das damals abgelehnt, da es für mich komisch war, aber vielleicht unterstreicht das diesen Eindruck von Offenheit und Gastfreundlichkeit, auch jemanden, den man erst vor kurzem kennengelernt hat, zu einer Familienfeier und einem speziellen Datum wie Silvester einzuladen.
Die Deutschen sind nicht weniger freundlich, aber sie brauchen viel mehr Zeit, um Vertrauen aufzubauen. Und tatsächlich, auch wenn man im Alltag ist und beispielsweise auf der Straße eine Person anspricht, die Menschen haben meist keine Zeit für kurze Interaktionen. Man merkt da natürlich auch einen Unterschied zwischen einem Drittweltland wie Kolumbien und einem Industrieland wie Deutschland. Die deutschen Menschen leben in ihrer Arbeitswelt, und man merkt, dass sie häufig gestresst sind und mit dem Kopf woanders, und einfach den Kopf nicht frei haben, um auch auf dieser sozialen Ebene entspannter zu sein.
Das ist hier anders. Wenn man auf der Straße eine fremde Person nach dem Weg fragt, dann nehmen sich die Menschen Zeit und wollen helfen und wollen auch mehr Informationen haben. Man hat das Gefühl, als würde man mit einer Person sprechen, die man schon lange kennt. Dieses Vertrauen vermitteln sie.
Auf der anderen Seite muss man sagen: Themen wie Regeln und Gesetze sind hier in Kolumbien eher Empfehlungen. Ich habe häufig beobachtet, dass Regeln nicht wirklich ernst genommen werden, auch Gesetze – sei es im Verkehr oder anderswo – sind nicht so wichtig. Und das finde ich interessant. Es kommt mir fast so vor, als würden die Menschen absichtlich gegen Vorschriften verstoßen, wie so eine Trotzreaktion, denn alles ist chaotisch hier. Aber wenn man dann die Menschen an der Bushaltestelle sieht, dort stehen sie ganz geordnet hintereinander in der Schlange, und die Schlange entsteht ganz natürlich – wer zuerst da ist, steht vorne. Das ist keine Regel, kein Gesetz, das entscheiden die Menschen selbst.
Das ist ein Gegensatz: Es gibt viele Regeln, der kolumbianische Staat versucht, die Menschen zu kontrollieren, aber da funktionieren die Regeln nicht – und wenn sie nicht vorgeschrieben sind, dann gibt es plötzlich Ordnung. Das ist interessant, und da sind die Deutschen natürlich im Vergleich sehr regelbewusst. Viele andere Länder sehen das oft als Problem, dass wir Deutschen uns so sehr auf Regeln und Gesetze fokussieren und ihre Einhaltung fordern.
Ein weiterer Unterschied ist das Verantwortungsbewusstsein oder die Verlässlichkeit. Ich denke, die ist in Deutschland höher – wenn wir uns zum Beispiel Pünktlichkeit anschauen oder das Wort halten bei Zusagen. Das ist mir hier nicht so gut gelungen. Bei den meisten Treffen mit Kolumbianern – aber das gilt allgemein in Lateinamerika – muss man meistens mehrere Minuten warten. Und auch bei mündlichen Abmachungen, seien es Treffen oder andere Anlässe, wird gerne spontan abgesagt oder etwas vergessen. Das sind Sachen, die mir nicht so gut gefallen, weil ich wirklich eine Person bin, die, wenn ich etwas verspreche, es auch halte.
Das wäre der Vergleich zu Mentalität und Menschen.
Als Nächstes kommt das Essen.
Ein großer Unterschied liegt im Frühstück. Die Deutschen sind sehr stolz auf ihr Frühstück, vor allem mit Brot und Brötchen. Das habe ich schon einmal in einer vorherigen Episode erklärt: Es gibt eine sehr gute, umfangreiche Brotkultur in Deutschland. Und da ich so lange in Deutschland gelebt habe, kann ich auch auf Brot nicht verzichten – besonders nicht auf gutes Brot.
Das liegt hier aber auch daran, dass Brot zum Frühstück gar nicht so gefragt ist. Die Deutschen haben eher ein kaltes Frühstück – ein Brötchen oder ein Brot, das kann getoastet sein, aber im Prinzip ist das meistens kalt: mit Käse, Schinken, Salami, Marmelade, auch süßen Sachen wie Nutella.
Hier dagegen ist das Standardfrühstück Arepa, meist schön warm mit Rührei oder Spiegelei und Käse, geschmolzen auf der Arepa. Das ist natürlich ein großer Unterschied, und für mich war das am Anfang schwierig, da ich an das deutsche oder europäische Frühstück gewöhnt war. Ich habe hier zunächst keine Orte gefunden, an denen ich dieses Frühstück simulieren konnte. Mittlerweile frühstücke ich auch gerne mal Arepa mit Eiern und Käse, aber nicht immer. Glücklicherweise habe ich eine Bäckerei gefunden, die gutes Brot backt – damit kann ich mein eigenes deutsches Frühstück hier zubereiten.
Ansonsten merkt man, dass in der kolumbianischen Küche viel frittiert wird. Es gibt zum Beispiel Empanadas – die kennt man aus verschiedenen Ländern in Lateinamerika. Mir gefallen am besten die gebackenen Empanadas, wie man sie aus Argentinien kennt. Hier werden sie frittiert, sie schmecken lecker, sind mir aber zu fettig. Viel fettiges Essen hier, und an jeder Ecke – wirklich, man geht durch die Straßen Kolumbiens, und überall findet man Empanadas, meist frittiert.
Es gibt auch Käsefinger, Palitos de Queso heißen sie. Das ist frittierter Teig mit Käse drin – sehr lecker, aber natürlich fettig. Da würde ich sagen, ist die deutsche Küche weniger fettig. Wenn wir uns zum Beispiel den Sonntagsbraten anschauen – eines meiner Lieblingsgerichte, das meine Uroma oft zubereitet hat – mit Kartoffeln, Bratensoße und magerem Fleisch, das war wirklich gut.
Man merkt also große Unterschiede. Und eine Sache, die ich hier beobachtet habe, ist die Liebe für den Käse in allem. Wenn man hier in einen Fruchtladen geht, kann man oft einen Fruchtsalat bestellen – und auf diesem Fruchtsalat ist immer Käse. Als ich das erste Mal mit Freunden Fruchtsalat essen war, gab es Käse obendrauf, und ich habe mich gewundert, ob das extra bestellt wurde. Aber nein – das ist Teil des Fruchtsalats. Man muss es extra abbestellen, damit man keinen Käse bekommt. Das Gute ist: Es ist kein starker Käse, man hat also keinen intensiven Käsegeschmack. Es geht wohl mehr um die Konsistenz.
Und das andere, was für mich absolut komisch war und was ich noch nicht probiert habe: Migao. Migao ist ein warmer Kakao, in dem die Kolumbianer Kekse und Käse aufweichen. Das heißt, sie haben dann diesen Käsekakao, der geschmolzen ist, und die Kekse schwimmen darin. Sieht für mich nicht lecker aus, und ich würde meinen Kakao lieber mit etwas Sahne oben drauf trinken. Aber ich habe Freunden hier versprochen, dass ich Migao probieren werde – die Frage ist nur, wann.
Das nächste Thema ist die Infrastruktur. Besonders hier in Medellín ist die Metro ein sehr beliebtes und modernes Transportmittel. Die Busse sind normal, aber ich denke speziell an das interregionale Reisen – also von einer Stadt zur anderen. Da ist tatsächlich Fliegen die beste Option. Man kann natürlich mit dem Auto oder Motorrad fahren, aber Kolumbien ist viel größer als Deutschland, die Distanzen sind weiter. Deswegen fliegen die meisten Menschen gerne, denn es gibt kein Bahnnetz. Bahnfahren ist hier nicht möglich.
Ich denke, das ist einer der größten Unterschiede zu Deutschland. Deutschland hat ein sehr ausgeprägtes Bahnnetz, was viel besser für die Umwelt ist. Wir haben auch Flüge, aber bei weitem nicht so viele Flughäfen wie Kolumbien, weil sie keine Züge haben und irgendwie die Städte erreichen müssen. Fast jede Stadt, auch kleine, hat hier einen Flughafen.
Deutschland hat zwar ein sehr ausgeprägtes Bahnnetz, aber auch eine der unpünktlichsten und früher teuersten Bahnen – die Deutsche Bahn. Und das ist interessant, weil die Deutschen sonst gerne pünktlich sind. Die Deutsche Bahn ist das Gegenteil, und alle Deutschen wissen das. Man macht sich darüber lustig, weil man weiß: Pünktlichkeit ist wichtig – und die Deutsche Bahn repräsentiert das nicht. Einerseits lustig, andererseits traurig, dass man das seit Jahren weiß und nichts ändert.
Trotzdem haben wir damit ein umweltfreundliches Verkehrsmittel, das fast alle Städte in Deutschland erreicht – auch wenn man oft lange warten muss.
Und das letzte Thema ist das Klima. In Deutschland haben wir alle Jahreszeiten: Winter, Frühling, Sommer und Herbst. In den meisten Regionen gibt es im Winter auch Schnee, zwar nicht mehr so viel wie früher, aber es gibt ihn. In meiner Stadt, die etwas höher liegt, schneit es regelmäßig. Zwar habe ich lange keine weißen Weihnachten mehr gehabt, aber im Dezember, Januar, Februar, teilweise März, fällt immer mal wieder Schnee – manchmal so viel, dass man einen Schneemann bauen kann.
Also ja, es gibt den Winter, und auch der Sommer ist stark mit Temperaturen bis 40 Grad – zwar nicht Standard, aber möglich. Ich erinnere mich an meinen letzten Winter in Deutschland, da hatten wir -15 Grad. Das heißt, wir können von einer Temperaturamplitude von 55 Grad sprechen – das ist groß.
In Kolumbien ist das anders. An der Küste hat man starke Hitze, 30 bis 40 Grad das ganze Jahr über. In den Anden, in Medellín oder Bogotá, kann es auch mal kälter werden, aber nicht extrem kalt. Das kälteste, was ich hier erlebt habe, waren 12 Grad. In Bogotá vielleicht etwas kälter, aber es schneit nicht. Es gibt schneebedeckte Gipfel, aber dort leben keine Menschen.
Dadurch, dass Kolumbien nah am Äquator liegt, sind die Jahreszeiten nicht ausgeprägt. In Medellín hat man das ganze Jahr über das gleiche Wetter – Medellín, die Stadt des ewigen Frühlings. Auch an der Küste oder Richtung Amazonas ist das Wetter nicht wirklich wechselhaft.
In Deutschland dagegen hat man regnerische, sonnige, graue, kalte und warme Tage – sehr abwechslungsreich. Und ich muss sagen: Bevor ich nach Kolumbien gezogen bin, dachte ich, ich würde gerne in einer Region mit stabilerem und wärmerem Wetter leben. Mittlerweile muss ich sagen, ich vermisse das deutsche Wetter – das abwechslungsreiche Klima und vor allem den Winter. Einfach mal ein paar schöne sonnige Tage mit schneebedeckten Straßen und Wiesen zu haben – das sind schöne Momente.
Das soll alles sein von meinen Beobachtungen zu den Unterschieden zwischen Deutschland und Kolumbien. Ich hoffe, euch hat dieses Video gefallen. Ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg beim Deutschlernen. Der nächste Podcast kommt bald. Wir sehen oder hören uns dann. Ciao.
Vokabelliste
| Wort / Redewendung | Bedeutung | Beispielsatz aus dem Transkript |
|---|---|---|
| Beobachtungen schildern | seine Eindrücke oder Erfahrungen beschreiben | „Ich möchte Beobachtungen schildern, Sachen, die ich bisher für mich so analysiert habe.“ |
| eine Trotzreaktion | Verhalten, das aus Widerstand oder Absicht gegen eine Regel entsteht | „Es kommt mir fast so vor, als würden die Menschen absichtlich gegen Vorschriften verstoßen, wie so eine Trotzreaktion.“ |
| Vertrauen aufbauen | eine Beziehung schaffen, in der man sich gegenseitig vertraut | „Die Deutschen brauchen viel mehr Zeit, um Vertrauen aufzubauen.“ |
| den Kopf nicht frei haben | gestresst sein, zu viele Gedanken haben | „Sie sind häufig gestresst und mit dem Kopf woanders und haben einfach den Kopf nicht frei.“ |
| Verantwortungsbewusstsein | Fähigkeit, für sein Handeln Verantwortung zu übernehmen | „Ein weiterer Unterschied ist das Verantwortungsbewusstsein oder die Verlässlichkeit.“ |
| sein Wort halten | ein gegebenes Versprechen erfüllen | „Ich bin wirklich eine Person, die, wenn ich etwas verspreche, es auch halte.“ |
| etwas abbestellen | etwas stornieren oder ausdrücklich nicht wollen | „Man muss es extra abbestellen, damit man keinen Käse bekommt.“ |
| ausgeprägtes Bahnnetz | gut entwickeltes Eisenbahnnetz | „Deutschland hat ein sehr ausgeprägtes Bahnnetz.“ |
| Temperaturamplitude | Unterschied zwischen niedrigster und höchster Temperatur | „Wir können von einer Temperaturamplitude von 55 Grad sprechen.“ |
| abwechslungsreiches Klima | Wetter, das sich oft verändert | „Ich vermisse das deutsche Wetter – das abwechslungsreiche Klima und vor allem den Winter.“ |
Verstehensfragen
1. Warum betont der Sprecher zu Beginn, dass es sich um persönliche Beobachtungen handelt?
A) Weil er wissenschaftliche Fakten präsentieren will
B) Weil er nicht alle Seiten des Themas kennt
C) Weil er andere Meinungen akzeptiert
2. Wie beschreibt der Sprecher die kolumbianische Mentalität im Vergleich zu der deutschen?
A) Kolumbianer sind offener und herzlicher
B) Deutsche sind geselliger und spontaner
C) Kolumbianer sind zurückhaltender
3. Welche Beobachtung macht der Sprecher über Regeln in Kolumbien?
A) Sie werden sehr streng befolgt
B) Sie gelten oft nur als Empfehlung
C) Es gibt kaum offizielle Gesetze
4. Was fällt dem Sprecher in Bezug auf kolumbianisches Frühstück besonders auf?
A) Es besteht meist aus kalten Speisen
B) Es gibt kaum süße Speisen
C) Es ist warm und beinhaltet oft Arepas mit Käse und Ei
5. Was ist für den Sprecher an der kolumbianischen Küche ungewohnt?
A) Dass viel frittiert wird
B) Dass kaum Fleisch gegessen wird
C) Dass es nur wenig Käse gibt
6. Worin sieht der Sprecher einen großen Unterschied bei der Infrastruktur?
A) In Kolumbien gibt es kaum Züge, aber viele Flüge
B) In Deutschland gibt es keine funktionierenden Busse
C) In Kolumbien sind die Straßen viel moderner
7. Wie bewertet der Sprecher das deutsche Klima im Vergleich zum kolumbianischen?
A) Er findet es zu wechselhaft
B) Er vermisst die Abwechslung und besonders den Winter
C) Er bevorzugt das gleichbleibende Klima Kolumbiens
8. Was sagt der Sprecher über die Deutsche Bahn?
A) Sie ist bekannt für ihre Pünktlichkeit
B) Sie ist ein umweltfreundliches, aber unzuverlässiges Verkehrsmittel
C) Sie wird kaum genutzt, weil sie zu günstig ist
Lösungen
| Nr. | Richtige Antwort |
|---|---|
| 1 | C |
| 2 | A |
| 3 | B |
| 4 | C |
| 5 | A |
| 6 | A |
| 7 | B |
| 8 | B |
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